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Heiligsprechung 2008

Freiämter Sturm auf Rom

Zehntausende von Menschen strömten am Sonntag, 12. Oktober 2008, auf den Petersplatz im Vatikan, um der Heiligsprechung von Maria Bernarda Bütler und drei weiteren Persönlichkeiten beizuwohnen.

Obelisk.jpgMan musste Frühaufsteher sein, um den Anfang der Heiligsprechung nicht zu verpassen. Der Beginn der Feier war auf 10 Uhr angesetzt, bereits um 9.15 Uhr begann die Vorbereitung auf den Festgottesdienst mit Liedern und Gebeten. Um 8 Uhr öffneten sich die elektronischen Schleusen für den Zutritt zum Petersplatz, dreiviertel Stunden Wartezeit kamen dazu, so dass 6 Uhr der späteste Zeitpunkt für die Tagwache war. Trotz Zehntausenden von Menschen aus aller Welt läuft das Ganze friedlich ab, einige Schubser ausgenommen.

Das Wetter spielt fantastisch mit und spätestens um 9 Uhr sitzen die vielen Freiämter Pilger in erwartungsfroher Haltung auf ihren Plätzen. Schweizer Garde und strenge Ordner achten auf gesittetes Benehmen. Die Pilger aus der Schweiz sind nicht zu übersehen mit ihren orangenen Halstüchern und den Schweizer Fähnlein.

Zuerst die MG Brass Band Auw, dann der Papst

heiligsprechung1(sbk).jpgErstmals jauchzen und klatschen die Freiämter, als die Musikgesellschaft Auw – die direkt vor dem Petersdom platziert ist – aufspielt. Riesenjubel beim Einzug von Papst Benedikt XVI., der auf seinen Thron vor dem Portal von San Pietro geleitet wird. Spätestens jetzt nimmt jeder das 170 Seiten starke Büchlein «Canonizzazione» zur Hand, wo sämtliche wichtigen Details der heilig zu Sprechenden und der Ablauf des Festgottesdienstes festgehalten sind. Es wird ja nicht nur die Freiämterin Maria Bernarda Bütler (1848–1924) heilig gesprochen, sondern auch der italienische Mönch Gaetano Errico (1791–1860), der Gründer der Missionare vom heiligen Herzen Jesu, die Nonne Alfonsa dell’immacolata Concezione (1910–1946), eine Inderin mit Namen Anna Muttathupadathu und die Jungfrau und Laienkatholikin Narcisa de Jesus Martillo Moran (1832–1869) aus Ecuador.

Logisch, dass die Italiener in der Überzahl sind, stammte doch Gaetano Errico aus der Nähe von Neapel. Doch auch die südamerikanische Fraktion ist stark vertreten, denn Narcisa kommt aus Ecuador und Maria Bernarda wirkte dort. Es werden aber auch viele kolumbianische und brasilianische Fahnen geschwenkt. Eine riesige Menschenmenge ist auch aus Indien angereist. Jedes Mal, wenn der Name des jeweiligen Heiligen aufgerufen wird, tost der Applaus und es werden Hochrufe laut. Und hier haben die lateinischen Völker deutlich am meisten Stimmkraft.

Dreieinhalb Stunden unter der Sonne

Wicki_Rosmarie.jpgEs ist heiss an diesem Sonntag in Rom. Festwetter. Den Pilgern scheint dies nichts auszumachen, sie schützen sich mit dem Büchlein oder den Schals. Der Papst bekommt bald einen grossen Sonnenschirm, der ihn schützt. Es wird ihm ebenfalls etwas zum Trinken gebracht. Die ganze Feier ist minutiös geplant. Auch der Auftritt von Rosmarie Wicki-Bütler aus Auw. Sie schreitet die Stufen zum Papstthron in der Freiämter Sonntagstracht hoch und überreicht dem Pontifex ihre Gabe. Ein Augenblick im Leben der Freiämterin, der sicherlich nie mehr vergessen wird.

Mirna_Jazime_Correa.jpgBei der Heiligsprechung zugegen ist auch die kolumbianische Ärztin Mirna Jazime Correa, die 2002 im Alter von 29 Jahren eine schwere Lungenentzündung erlitt und nach Bitten zu Maria Bernarda Bütler auf medizinisch unerklärliche Weise geheilt wurde. Das später von der vatikanischen Glaubenskongregation anerkannte Wunder machte die jetzige Heiligsprechung möglich. Gemeinsam mit Werner Bütler und der Generaloberin des Ordens, Marines Burin, trägt Mirna Jazime Correa unmittelbar nach der feierlichen Proklamation der neuen Heiligen die Reliquien Maria Bernardas zum Altar. Die Kommunion spendet der Papst an Personen aus den Ländern der Erhobenen. Unter ihnen auch Auws Gemeindeammann Paul Leu und Mitorganisatorin Irene Bütler.

Papst_Benedikt.jpgNun sind die Auserwählten heilig gesprochen, der Papst erzählt aus ihrem Leben. Bei Maria Bernarda tut er das in Spanisch und Deutsch. Zum Schluss richtet er einen Aufruf für Frieden in der Welt an alle Gläubigen. Und er tut dies in sechs Sprachen. Als der Papst mit dem «Papamobil» wegfährt, braust noch einmal Applaus und Hochrufe «Evviva il papa» auf, bevor die Zehntausenden in friedlicher Stimmung und ohne Hektik den Petersplatz räumen. Eindrücklich, überwältigend, für Christen ein Erlebnis fürs Leben. Aber auch für Andersdenkende ein Anstoss für Zusammenleben und Friedfertigkeit.

Vor- und Nachfeier

Santa Maria Maggiore ist eine Patriarchalkirche des Vatikans mitten in Rom. Hier trafen sich die Maria-Bernarda-Pilger aus aller Welt am Samstagnachmittag zu einer stilvollen Andacht. Die MG Brass Band Auw bereicherte die Feier musikalisch. Der Solothurner Bischof Kurt Koch und der St. Galler Bischof Markus Büchel waren die Protagonisten in der wunder-schönen Kirche, in der seit dem 5. Jahrhundert jeden Tag eine Messe zelebriert wird. Die Franziskaner Schwestern aus Lateinamerika sangen und beteten vorwiegend in spanischer Sprache. Aber verstehen kann man auch mit dem Herzen.

Musikgesellschaft_Auw.JPGDie Brass Band Auw gab nach der Feier noch ein Platzkonzert vor der Kirche und hatte Mühe, einen Schlusspunkt zu finden, so begeistert waren die Leute. Und vor allem auch die Schwestern aus Südamerika.

Die Nachfeier am Montag war sehr berührend. Der Bischof von Cartagena in Kolumbien, dem Wirkungsort von Maria Bernarda und Bischof Markus Büchel zelebrierten die Messe am vordersten Altar im Petersdom. Schon diese Kulisse war gewaltig! Die Musikgesellschaft Auw bestritt auch hier den musikalischen Teil. Für alle Musikantinnen und Musikanten sicher ein unvergessliches Erlebnis, in San Pietro zu musizieren. Emotionaler Höhepunkt der stilvollen Feier war eine persönliche Erklärung von Mirna Jazime Correa, der 35-jährigen kolumbianischen Ärztin, die 2002 mit einer schweren Lungenentzündung ins Koma fiel und von den Ärzten aufgegeben wurde. Auf Anrufung von Maria Bernarda wurde sie innert Tagen geheilt. Dieses Wunder war der Auslöser für die Heiligsprechung der berühmten Auwerin.

Die «ewige» Stadt entdeckt

Spanische_Treppe.jpgMan kann nicht zu einer Heiligsprechung nach Rom fahren ohne ein Rahmenprogramm zu gestalten, dass diese Stadt am Tiber im besten Lichte zeigt. Während die Carreisenden im Vorfeld von Rom schon Assisi einen Besuch abstatteten, gab es in Rom nach der Ankunft einiges zu entdecken. Unter kundiger und kompetenter Reiseleitung war eine Stadtbesichtigung angesagt. Wer hat nicht schon von Pantheon, Engelsburg, dem Denkmal für Viktor Emanuel II. mit dem Grab des unbekannten Soldaten, dem Trevi-Brunnen, der Piazza Navona, der Via Cavour, der Piazza Colonna oder der spanischen Treppe gehört? Dies alles hinterlässt bleibende Eindrücke.

Sixtinische.jpgAm Samstag erhielt man Einblick in die vatikanischen Museen und Gärten. Der gewaltige Reichtum an Kunstwerken berühmter Bildhauer und Maler war überwältigend. Die Sixtinische Kapelle ist allein schon eine Romreise wert. Berühmtheiten wie Michelangelo oder Bernini begegnen einem auf Schritt und Tritt. Die «Pietà» von Michelangelo (1475–1564) im Petersdom ist zweifelsohne eines der berühmtesten Kunstwerke der Geschichte. Übrigens, zu San Pietro gelangt man durch einen Porticus mit fünf Eingängen, auf der rechten Seite ist das Standbild von Kaiser Konstantin von Gian Lorenzo Bernini (1598–1680), auf der linken das Denkmal für Karl den Grossen von Agostino Cornacchini (1686– 1754). Hätten Sie es gewusst?

Und noch etwas Erwähnenswertes. Am Freitag und Samstag war auch Regierungsrat Roland Brogli mit dabei, bevor er am Sonntag in offizieller Mission an der Feier teilnahm und auch eine Privataudienz beim Papst hatte. Roland Brogli und seine Frau Rosmarie erwiesen sich als volksnahe Vertreter der Regierung, waren jederzeit zu Gesprächen und zu Spässen bereit. Bei einem Bierchen konnte man mit Brogli über Gott und die Welt diskutieren. So etwas macht auch Spass.

Am Sonntag war ein gemeinsames Mittagessen mit den Franziskaner Schwestern im Beisein der Bischöfe Koch und Büchel, Weihbischof Trauffer und der Bundeskanzlerin Corinna Casanova sowie Regierungsrat Brogli. Nachher gings zum Kolosseum und zum Forum Romanum. Noch einmal war Geschichte angesagt, bevor die Meisten etwas müde sich für den letzten Pilgertag rüsteten.

Gruppenbild.JPGNach dem Dankgottesdienst am Montagmorgen stand ein Besuch bei der Schweizergarde auf dem Programm. Die MG Brass Band Auw spielte im Innenhof bei einem Apero, den die Gardisten servierten. Noch einmal gab es interessante Gespräche, Begegnungen und Darbietungen. Beim Fahnenschwingen erreichte die Stimmung unter den Pilgern noch einmal fast Volksfestcharakter. Es war eine Reise der Superlative, ohne Wenn und Aber!                               

Rinaldo Cornacchini

Maria Bernarda Bütler

Sie ist die erste Schweizerin seit der Reformationszeit, die zur höchsten Ehre der Altäre erhoben wird. Vor ihr wurde seit dem 16. Jahrhundert lediglich der Nationalheilige Bruder Klaus heilig gesprochen. Dessen Kanonisierung erfolgte 1947. Benedikt XVI. würdigte die aus Auw im Kanton Aargau stammende Ordensgründerin für die Treue und Freude ihrer Glaubensverkündigung. Von Jugend an habe die unter dem Taufnamen Verena aufgewachsene Bauerntochter eine tiefe Liebe zu Christus erfahren. Wie sie sagte, «ist es fast unmöglich, dies anderen zu erklären, die es selbst nicht so verspürt haben», zitierte der Papst die Ordensfrau.

Verena Bütler war als viertes von acht Kindern in einer Bauernfamilie aufgewachsen. 1867 trat sie mit 19 Jahren in das Kapuzinerinnenkloster Maria Hilf in Altstätten ein und nahm den Ordensnamen Maria Bernarda an. Bald war sie Novizenmeisterin und Oberin.

Auf Bitten des deutschstämmigen Bischofs von Portoviejo, Peter Schumacher, entschloss sie sich 1888, gemeinsam mit sechs anderen Ordensschwestern zur Auswanderung nach Ecuador. Dort nahm sie unter schwierigen Bedingungen die Missionstätigkeit auf und gründete schliesslich eine eigene Kongregation, die Franziskaner-Missionsschwestern von Maria Hilf. Im Brennpunkt ihrer Aktivitäten in Ecuador und Kolumbien standen der soziale Einsatz für Arme und die Förderung der Schulbildung, aber auch Alten- und Krankenpflege, die Behindertenfürsorge und Erwachsenenbildung. Maria Bernarda Bütler starb am 19. Mai 1924 in Cartagena.

Die Franziskaner-Missionsschwestern zählen heute nach eigenen Angaben 840 Schwestern. Die stärksten Provinzen sind Kolumbien mit 350 und Brasilien mit 320 Ordensfrauen. Hauptsächlich sind sie in Schulen, Seelsorge, Mission und im sozialen Bereich tätig. Die Ordenszentrale befindet sich in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota.

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